Samstag, 31. Mai 2014

Fundstück: Schule


Diese Worte sind vor ungefähr acht Jahren während einer Mathematik-Stunde in meinem Notizbuch gelandet.

Schule

Lesen, Folgen, Horchen, Schreiben,
Ja nicht mit den Lehrern reiben,
Tun was einem wird gesagt,
Sich keiner über Grenzen wagt.

Und wenn man´s doch tut, auch im Guten,
Thema verfehlt, Fachbegriff vergessen,
Nur subintellektueller Müll, den sie uns zumuten,
Hier wird nach Konformität gemessen.

"Kreativität hat eigene Stunden!"
"Woanders hat sie nichts zu suchen",
Da wird sie nur als schlecht empfunden,
Man wird, notentechnisch, zum Eunuchen!

Sonntag, 18. Mai 2014

Der Schnellzug des Lebens

Man kennt das: Menschen sitzen in einem Zug, jeder für sich oder seine kleine Gruppe. Man würde nicht auf die Idee kommen, jemanden anzusprechen, weil er das selbe Buch wie man selbst liest oder weil einem die Musik aus den Kopfhörern bekannt vorkommt. Man retweeted lieber einen gesellschaftskritischen Kommentar, als sich bei der Diskussion der Soziologie-Studenten nebenan einzuklinken. Nur in Ausnahmen wird dieser Schutz durchbrochen und auf Fremde zugegangen.

Bleibt der Zug allerdings unvorhergesehenerweise stehen, verfliegt der Schleier der Isolation. Man schaut sich gegenseitig unsicher an, lässt von Buch oder Kopfhörern ab, witzelt, stellt Fragen und erhält ratlose Antworten. Die Menschen interagieren ob der neuen Situation plötzlich miteinander, wenigstens solange der Zug steht.

Dieser Zug könnte auch für unsere schnelllebige Gesellschaft stehen. Wir bewegen uns weitestgehend allein durch den Alltag. Abgesehen von Arbeitskollegen, Familie und engerem Freundeskreis gehen uns die Leben anderer Menschen nichts an. Wenn jemand Probleme hat oder in Not ist, wird es jemand geben, der sich darum kümmert.
Diese Versorgungssicherheit ist einerseits ein riesiger zivilisatorischer Fortschritt, gleichzeitig führt es aber auch zur Atomisierung der Gesellschaft: Wozu sollte ich wissen müssen, wer meine Nachbarn sind, wenn ich nie auf deren Hilfe angewiesen sein werde? Was interessieren mich noch fremde Menschen, wenn alles von Interesse gezielt über das Internet erfahrbar ist bzw. gefunden werden kann?

Darüber lässt sich natürlich streiten, aber besonders in der Großstadt ist die Anonymität spürbar. Eine kühle Unpersönlichkeit weht durch die Straßen, Exstase wird eher schief beäugt denn beigewohnt.

Doch was würde passieren, wenn das System zum Stillstand käme. Würde jeder in wahnhaften Egoismus verfallen und nur noch um sein eigenes Überleben besorgt sein? Würde die Menge der Menge zum Tyrann?
Oder könnte man auf die Empathie des Schwarms vertrauen, der Selbstorganisation der Masse? Kann der Mensch seine Gier loslassen, wenn er andere Sicherheiten hätte? Und welche wären das?

Man muss diese Frage stellen, wenn man sich bewusst macht, wie die Menschheit fehlgeleitet unsere Welt in den Untergang treibt. Kleine Kurskorrekturen helfen nicht, da die Strömung des industrialisierten Alltags ihr Übriges tät.

Wir brauchen Plattformen auf globaler Ebene, um aus Utopien reale Praktiken zu formen. Graswurzelbewegungen, keine konzerngetriebenen Vertretungen von Scheininteressen.
Dazu braucht es Bildung, dazu braucht es Meinungsfreiheit. Doch eh dies überall gleichermaßen gegeben ist, wird es zu spät sein.

Wo ist der Diskurs darüber, wie unsere Enkel das ständige Wachstum vorantreiben sollen? Die Alternative wäre eine Wirtschaft ohne Wachstum, doch dies passt nicht in unser Weltbild. Unsere Gesellschaft fliegt also blind über die Schienen des Konsums.


Dass unser Zug ins Nirgendwo eine Vollbremsung liefert, ist zu bezweifeln. Doch es wäre viel gewonnen, wenn mehr Leute von ihrem nichtigen Zeitvertreib kurz ablassen würden und sich fragten, wo die Reise eigentlich hingeht.

Vielleicht weiß es ja der Nachbar.