Donnerstag, 11. April 2019

Liberté in Haft

Gestern wurde das Polizeiaufgabengesetz in Sachsen erlassen, heute wurde Julian Assange aus der equadorianischen Botschaft in London verhaftet.
Hat auf den ersten Blick natürlich nichts miteinander zu tun, aber es ist ein Zeichen einer zunehmenden Deliberalisierung der westlichen Gesellschaften.

Das PAG weicht die hart erkämpfte, rechtsstaatliche Trennung von Exekutive, Judikative und Legislative auf. Zurecht führt die Linke bei ihrem Protest dagegen das Wort "Polizeistaat" im Mund. Und während wohl kaum jemand leugnen würde, dass eine Aufstockung der Polizeikräfte nach Jahren kontinuierlicher Reduzierung sinnvoll sein kann, hat es mehr als nur einen faden Beigeschmack, wenn z.B. Bürger in den Grenzregionen per se wie Verdächtige behandelt werden. 

Assange hat dagegen Whistleblowern wie Chelsea Manning eine Plattform geboten, damit geheime, aber für die Gesellschaft relevante Informationen an die Öffentlichkeit kommen. Er suchte nun dafür 7 Jahre in dieser Botschaft Asyl, nur um jetzt doch potenziell der US-amerikanischen Justiz ausgeliefert zu werden. Die Botschaft ist klar: Wir kriegen euch überall.

Das ist fatal. Einerseits wollen wir unser liberales Modell, vielleicht zurecht, als das beste verkaufen, nur um es dann unter fadenscheinigen Vorwänden wieder sukzessive abzubauen. Mir macht diese Entwicklung, die übrigens seit über 15 Jahren zu beobachten ist, ungefähr im gleichen Maße Angst wie die Entwicklung unserer Umwelt.

Es gibt schon zu viel Ignoranz, diese Entwicklung dürfen wir nicht auch noch ignorieren...

Montag, 1. April 2019

Pascalsche Wetten für FridaysForFuture

Muss mal wieder was loswerden.
Es gehen ja nun seit Wochen Kinder und Jugendliche für #FridaysForFuture auf die Straße.
Erst mal ein sinnvolles Anliegen, wenn man bedenkt, dass die noch eine überdurchschnittliche Zeit auf diesem Raumschiff namens Erde unterwegs sind.

Es hat nicht lange gebraucht, bis sich eine (mediale) Gegenbewegung formiert hat, von richtig investigativen Journalismus über die Hintergründe von Gretas Familie bis zu passiv-aggressiven in Memes verpackten Vorwürfen ála "Sollen sie doch freitags Müll sammeln gehen!". 

Damit wir uns verstehen, so manche Umwelt- oder Gesundheitsschutzmaßnahme kann man zumindest diskutieren, wenn nicht als regelrecht kontraproduktiv bewerten. So können Windräder den Artenschutz gefährden, ohne Probleme der nötigen Grundlast im Netz bei nachhaltiger Erzeugung zu lösen. Oder dass das Sperren einer vielbefahrenen Straße zu mehr Verkehr und damit wieder mehr Umweltverschmutzung führt.

Allerdings klingen entsprechende Einwände vielmals eher nach "Ich sags doch, alle bekloppt" denn nach "lass uns an dem Punkt noch mal diskutieren".
Und so stehen am Ende wieder die Lager "Umweltschutz um jeden Preis und Sinn" vs. "Lass mich mein T-Bone-Steak in SUV-Größe essen!" unversöhnlich gegenüber. Man könnte glatt ein Muster erkennen.

Witzigerweise werfen sich beide Lager Realitätsverlust vor: Einer ignoriert Notwendigkeit und Möglichkeit einer nachhaltigen Klimawende, der andere will die riesigen, vor allem internationalen Herausforderungen der Klimawende nicht sehen oder zumindest betonen.
Denn da verstehe ich viele Klimakritiker: Was soll man denn auf nationaler Ebene retten, während allein Frachtschiff-Flotten den CO2-Ausstoß kleinener Staaten haben.

Und genau das ist der springende Punkt - Wenn sich international eine ganze Generation mit den Problemen und deren potenziellen Lösung beschäftigt, wie schlimm kann es denn sein?
Im Gegenteil würde ich mir Sorgen machen, wenn wir noch eine Generation innerlich toter Konsumzombies heranziehen.
So sind es im schlimmsten Fall nachhaltig denkende, innerlich tote Konsumzombies, im besten Fall wird unser ganzes Wirtschafts- und Gesellschaftswesen mal wieder hinterfragt.

Und da für viele die Klimadiskussion offensichtlich eine Glaubensfrage geworden ist (obwohl es genug wissenschaftliche Schlagseite gibt), gebe ich noch die pascalsche Wette mit:
Existiert der Klimawandel, aber wir unternehmen nichts dagegen, landen wir in einer sehr realen Hölle.
Existiert der Klimawandel und wir unternehmen etwas, könnte die Menschheit noch ein paar hundert Jahre bekommen.
Sollte der Klimawandel aber tatsächlich nur eine seeeehr unglückliche statistische Ausnahmesituation sein, und wir unternehmen trotzdem etwas, dann haben wir die Welt einfach so zu einem lebenswerteren Ort gemacht.

Also vielleicht sind die Demonstrationen doch gar nicht so schlimm