Mittwoch, 18. Januar 2017

Postpräsidiale Absolution

Obama hat es getan! Er hat Chelsea Manning, die für die Collateral Damage-Leaks verantwortliche Whistleblowerin, wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit begnadigt. Nach über 6 Jahren unmenschlichster Einzelhaft wird sie wohl ab Mai 2017 in Freiheit gelassen. Ob sie danach jemals wieder ein normales Leben führen kann ist quasi undenkbar. Nicht nur aufgrund des neuen Status als Person des öffentlichen Lebens. Eine so lange Zeit in Einzelhaft ohne Hoffnung auf Freiheit muss Spuren hinterlassen. Snowden hatte da mehr Glück bzw. konnte aus dem Umgang mit Manning lernen.

Nun sagen schon manche, würde Obama jetzt Snowden begnadigen, hätte er seinen Friedensnobelpreis verdient.

Nein, das hat er nicht!

Wie viele Todesurteile, ausgeführt von Drohnen im Nahen und Mittleren Osten, hat er unterschrieben? Was hat er gegen US-amerikanische Menschenrechtsverletzungen auf dem ganzen Globus unternommen? Unter seiner Ägide ist Da´esh groß geworden und der Kalte Krieg wieder aufgeflammt.

Nein, ein guter Abgang macht noch keine gute Präsidentschaft.

Das stört mich übrigens an der Verteidigung von Angela Merkel durch Linke. Ja, sie hat 2015 einmal in ihrer lange währenden Kanzlerschaft eine menschliche Entscheidung getroffen, den Flüchtigen in Europa Obhut zu bieten. Doch abseits davon, dass sie viel zu wenig unternommen hat, um das Land dafür mit Wohnungsbau, Bildungsinvestionen und Gesellschaftsvisionen zu wappnen, hat sie all die Jahre davor keinerlei Weitsicht bewiesen. Schon vorher kamen Tausende aus als den vergessenen und gebeutelten Ländern der Welt in der Hoffnung auf Rettung nach Europa. Die Südländer erkannten diesen Trend und wollten das Dublinsystem reformieren, doch Merkel blockierte und schädigte die europäische Solidarität.

Während der Eurokrise wurden viele Fehler gemacht, manche davon unabsehbar. Doch es wurde effektiv gar nichts unternommen, um die dafür verantwortlichen Zustände zu beseitigen. Stattdessen wurde mit Deutschlands neu gewonnenem Einfluss in der EU ein Sparkurs diktiert, der Brüning harmlos aussehen lässt. Brüning hatte 1930 die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Deutschland durch einen harten Sparkurs noch verschärft. Wird einem in der Schule beigebracht, aber es erinnert sich wohl niemand. Ohne ihn hätte es nie einen Aufstieg der NSDAP gegeben.

Der Parallelsetzung mag unangenehm sein, aber Merkel hat nicht nur den Aufstieg der Rechtspopulisten in Deutschland, sondern in ganz Europa begünstigt. Zwar führten noch viele andere Faktoren zum jetzigen Zustand Europas und der EU hinzu, aber sie hat nichts unternommen, dieser Entwicklung effektiv gegenzuwirken.

Stattdessen wirft die EZB seit Jahren täglich zwei Milliarden Euro auf den Markt, was die Immobilienpreise explodieren lässt, in Griechenland erfrieren und im Mittelmeer ertrinken Menschen.

Beide, Obama und Merkel, haben die Erwartungen nicht erfüllt und konnten uns nicht transparent machen, was zu diesem Scheitern führte.

Deswegen wäre es unverantwortlich, all diese Verfehlungen bei der Laudatio auf ihren Abgang oder bei der Entscheidung zur Wiederwahl einfach zu vergessen. Andere erinnern sich, seien es Hinterbliebene eines Drohenopfers oder die von der Weltwirtschaft Abgehängten.

Samstag, 14. Januar 2017

Wer hat Angst vor Fake News?

Die Elbphilharmonie wurde diese Woche eröffnet und besonders die öffentlich-rechtlichen Sender fielen durch überschwängliche Berichterstattung auf. Das Bauwerk hat definitiv eine gewisse Aufmerksamkeit verdient, nicht nur als kulturelles Aushängeschild, sondern als Sinnbild für überteuerte staatliche Großprojekte. Das Kritik an Letzterem nun überraschend kurz kommt, lässt sich wohl auch auf die jüngst initiierte Imagekampagne zurückführen. 

Es hat dann ein Gschmäckle, wenn man sich vor Augen führt, dass sich unsere Meinungsmacher kaufen lassen. In einer Welt, in der Geld ein universeller Maßstab ist, sollte das nicht überraschen. Aber genau das senkt das Vertrauen in die Institution der Medien. Sie konnten nie ein Wahrheitsgarant sein, das liegt in der Sache, aber sie sollten immer versuchen, einen objektiven Standpunkt wiederzugeben. 
Diese Objektivität, die es so wohl auch nie gab, wird heute, in Zeiten der unbegrenzten Quellen des Internets, jählich vermisst. Blogs jeglicher Couleur bekommen Zulauf. Während die Einen die Medien überwachen und ein Korrektiv darstellen, führen Andere dies Ad Absurdum, indem sie Gerüchte und Fehlschlüsse in die Welt posaunen. 

Letzeres wird häufiger gehört und bleibt hängen, so unsinnig es auch ist. Das war wohl auch ein kleiner Baustein für Trumps Sieg und ist entsprechend nicht zu unterschätzen. Aber seit Wochen wird nun über dieses Thema gestolpert und geschwätzt, als wäre es eine Gefahr für unsere Demokratie.
Ja, das Resultat ist tatsächlich eine Gefahr für unsere Demokratie: 
Die Unsicherheit der Leute, die sprichwörtlich an gar nichts mehr glauben. 
Die Wut der Leute, die überall Fehler und Ungerechtigkeiten sehen, aber sich machtlos fühlen. 
Und die Ahnungslosigkeit der Leute, denen niemand erklärt, warum unsere Welt so tickt. 

Und die Leute holen sich Sicherheit bei Ideologien und fertigen Glaubensmustern.
Und die Leute lassen ihre Wut an denen aus, die nach ihrem Glaubensmuster Schuld an den Ungerechtigkeiten sind. 
Und die Leute versuchen ihre Ahnungslosigkeit mit einem überschaubaren Weltbild zu kaschieren. 

Die Weltbildmaler wiederum profitieren von der Angst, die sie mitgeben können, denn eine ängstliche Herde drängt sich näher zusammen und ist leichter zu steuern. Diese Angst wurde schon immer ausgenutzt, 
bete den Gottkönig an, sonst fällt deine Ernte aus, 
geh in die Kirche, sonst kommst du in die Hölle, 
lass dich überwachen, sonst stirbst du an Terror.

Aber den Menschen wurde nie beigebracht, zu hinterfragen und Informationen abzuwägen. Ideale der Aufklärung liegen verstaubt auf den Regalen der humboldtschen Erziehung. Doch statt zu versuchen, eine neue Epoche der Aufklärung auszurufen und dem Menschen Verstand zuzusprechen, debattieren wir über Fake News, ohne zwischen Propaganda, Zeitungsenten und Boulevardpresse zu unterscheiden. 
Während die Einen Lügenpresse schreien, rufen die Anderen nach einem Wahrheitsministerium. Während sich die Menschen in ihren Filterblasen verlieren und trennscharfe Kontraste setzen, leben manche in dem Glauben, Wahrheit ließe sich festlegen. 
Während du über Fake News ließt, rollen amerikanische Panzer nach Polen, sterben Menschen in Jemen und verhungert einer der letzten Eisbären am Nordpol. 

Es gibt auf der Welt viel mehr Probleme, gegen die wir derzeit absolut nichts unternehmen und streiten uns stattdessen über Banalitäten. Wir denken keine fünf Jahre voraus und wundern uns jedes Mal aufs Neue, in welch erbärmlichen Zustand die Welt doch ist. Und weil wir nicht mal ahnen, wie schlecht unsere Lebensweise ist, können wir uns nicht vorstellen, daran etwas zu ändern. So kommt uns jede revolutionäre Idee einfach weltfremd vor. 

Ideen können keine Fake News sein, aber über Ideen debattieren wir ja nicht mehr. 

Vielleicht sollte man darüber häufiger berichten.