Freitag, 22. Mai 2020

Eine beSCHEUERte Idee

Wer kam eigentlich auf diese bescheuerte Idee für eine Abwrackprämie? Ich hätte auf Scheuer getippt, aber offensichtlich haben die Auto-Minister Weil (NRW), Söder (Bayern) und Kretschmann (BW) diesen Vorschlag in die Waagschale geworfen. Ist ja nicht so, dass es aktuell nicht genug wichtige Themen in dieser Waagschale gäbe. Dass die Leute vielleicht gerade andere Sorgen als der nächste Autokauf umtreibt. Dass es förderungswürdigere Mobilitätskonzepte als das Auto gibt. Oder dass es VW, BMW und Daimler schlecht gehen würde. Im Gegenteil, trotz FFF gab es rekordverdächtige SUV-Verkäufe, eine Wagenklasse mit sehr guter Marge im Gegensatz zum ökonomischen Kleinwagen, der dank verfehlter Flottenregulierung langsam am Markt verschwindet. Die könnten auf ihren Barreserven locker bis Herbst ohne einen Verkauf und vor allem ohne Subventionierung durch Kurzarbeitergeld durchkommen. Die könnten den Markt mit einer Rabattschlacht notfalls selbst anschieben. "Ja, aber es sind doch Arbeitsplätze gefährdet." Natürlich, aber wir sind in einer verfickten Pandemie, Konzerne sind dazu da, mit ihrer Größe durch Krisen gehen zu können. Wisst ihr, wer das nicht kann? Kleine Firmen, Gastronomiebetriebe, die selbst in guten Zeiten von der Hand in den Mund leben, weil der Markt ihnen nur Krümelnischen übriglässt. In der Autoindustrie arbeiten wohl 819.000 Menschen. Die Zahl allein reicht nicht, um mögliche Auswirkungen zu bemessen, weil so viele andere Faktoren auch davon abhängig sind. Im Gastrogewerbe arbeiten aber 1,1 Millionen Menschen. Wohlgemerkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Versteht mich nicht falsch, ich bin echt positiv überrascht, wie insgesamt gut diese ganze verrückte Situation bisher gemeistert wurde. Es geht mir zugegebenermaßen gegen den Strich, CDU-Regierungsarbeit zu loben. Die meisten von den Soforthilfen gingen unbürokratisch und schnell über die Bühne, viele Selbständige konnten durchschnaufen. Aber manche fallen gefühlt schon wieder in ihren Lobbymodus zurück und wollen Einzelinteressen durchdrücken, während es so viele größere Themen gäbe. Mieten können ausgesetzt werden, ist ne super Maßnahme, aber klappt das? Oder besteht da noch zu große juristische Unsicherheit? Werden die Voraussetzungen für eine langfristige Strategie geschaffen? Gibt es die überhaupt schon? Man muss auf Sicht fahren, aber während man an Kompass und Nebelfeuer bastelt, sollte doch schon grob klar sein, wo man hin will. Und wie sieht es mit der Belohnung für den Einsatz all der Pfleger, Krankenschwestern, Polizistinnen, Supermarktverkäufern, Paketboten, Ärztinnen, LKW-Fahrern? Bleibt es bei Klatschen, einer lauwarmen Mahlzeit und einer einmaligen Prämie? Abseits davon, sollten wir nicht wieder hinterfragen, ob es Verbünde und Konzerne geben sollte, die so mächtig sind, dass unsere Gesellschaft erpressbar wird? Wäre es nicht jetzt die beste Zeit, zu entschleunigen und über unsere Wirtschaftsweise zu reflektieren? Wir werden sowieso in einer anderen Welt aufwachen. Dann kann es doch auch die bestmögliche sein.

Dienstag, 12. Mai 2020

Ein bisschen Anstand, ein bisschen Abstand

Ich bin echt sauer.
Eigentlich sollte ich es ja begrüßen, wenn Leute sich auflehnen, für ihre Rechte einstehen, Missstände publik machen. Aber nicht, wenn das unter falschen Vorzeichen passiert.
Denn was teilweise im Rahmen der "Hygienedemos" abgeht, hat selten etwas mit der Verteidigung von Grundrechten zu tun, sondern sind eher Ausdruck eines grassierenden Egoismus. Schließlich wäre es bei den Demos nicht zu viel verlangt, Mindestabstand zu halten und Mundschutz zu tragen. Und nachdem in meinen Augen eh zu schnell gelockert wurde, könnten sich genau solche Demos zu neuen Epidemieherden entwickeln.
Du findest, der Mundschutz ist ein Zeichen blinden Gehorsams? Nein, das ist einfach ein Ausdruck von Rücksichtnahme, einer Eigenschaft, die gerade in diesen Zeiten unglaublich wichtig ist.
Du findest, die Maßnahmen waren unverhältnismäßig? Also abseits von ein paar dämlichen Ausnahmen haben die Maßnahmen offenbar ihren Zweck erfüllt, schließlich haben wir hier (bisher), entgegen anderer Länder, keinen Ausnahmezustand durchleben müssen.
Also war es ja doch nicht notwendig? Hier haben wir es mit einer selbstzerstörenden Prophezeiung zu tun: Weil die Warnungen gehört und Maßnahmen ergriffen wurden, trat das befürchtete Ergebnis nicht ein.
Achja, und wer jetzt damit kommt, dass das Corona-Virus doch nur Fake ist: Ehrlich, lösch dich. So bisschen Verschwörungstheorie ist ja manchmal ganz nett, aber wer glaubt, dass rund um den Globus sowas fingiert werden könnte, hat wohl leider wirklich den Boden unter den Füßen verloren…

Montag, 4. Mai 2020

"Impfpflicht" oder was man daraus macht


Da jetzt sehr viele derartige Behauptungen zu einer am 29.04. im Bundeskabinett beschlossenen Impfpflicht herumgeistern, muss ich mich doch mal an einer Klarstellung versuchen:

  1. Das Bundeskabinett, sprich die Regierung, macht Gesetzesentwürfe, die dann vom Bundestag, anschließend noch vom Bundesrat, bearbeitet, verändert und später beschlossen werden. Egal was ihr gehört habt, es ist noch nicht in Kraft getreten.
  2. Die Novelle von §28 des Infektionsschutzgesetz bedeutet nämlich genaugenommen das genaue Gegenteil dessen, was jetzt von einigen postuliert wird. Aktuell gelten nämlich die Einschränkungen für alle. Wenn sich aber angenommen in einigen Wochen herausstellt, dass man gegen Covid-19 immun sein kann, gäbe es keine gesetzliche Handhabe, diese Immunen von den Einschränkungen auszunehmen. Die soll mit dieser Novelle geschaffen werden.
  3. Weitergedacht könnte dies durchaus zu einer Art Zweiklassengesellschaft führen, wo die Immunen frei und die Nicht-Immunen weiter eingeschränkt sind, dies aber nur vor dem Hintergrund einer Pandemie. Wir sind nun mal aktuell in einer absoluten Ausnahmesituation und wenn ich mir anschaue, wie es im "Land of the Free" zugeht, bin ich ganz froh, dass hier entsprechende Maßnahmen mit einem gewissen Augenmaß rechtzeitig ergriffen wurden. In Spanien und Frankreich gibt es z.B. einen richtigen Lockdown, da durfte die letzten Wochen niemand ohne nachweisbaren, driftigen Grund aus dem Haus.

In so unsicheren Zeiten wie diesen hält man sich gerne an bestimmte Gewissheiten, so z.B. an dem Glauben, dass die Regierung uns nur Schlechtes will. Aber nur, weil man diesen Glauben gerne bestätigt sieht, entspricht er noch lange nicht automatisch der Wahrheit.

Bleibt skeptisch, aber bitte nicht einseitig. In den letzten Jahren haben vermehrt Leute Auftrieb erhalten, deren Ziel breiter Vertrauensverlust ist, denn verängstigte Menschen sind besser zu kontrollieren. Kommt euch das bekannt vor? Genau, denn die spielen genauso wie manche Obrigkeiten mit eurer Angst. Und während euch die einen Gesetze verkaufen wollen, verkaufen die anderen ihre Agenda und Wundermittelchen.

Was mich persönlich eigentlich am meisten verunsichert: Das Schwarz-Weiß, das Absolute im Diskurs ist stärker als je zuvor. Die Echokammern der Filterblasen führen so krass wie nie dazu, dass die eigene Bezugsgruppe recht hat und die Anderen den Schuss nicht gehört haben. Wenn man eine Verschwörung wittern möchte, dann am ehesten hier. Denn dieses Wir-gegen-Die führt zu Wut, zu Feindbildern, zu einem Ende der Solidarität. Sonst hat am Ende kein Virus, sondern das Lagerdenken unsere zivilisierte Gesellschaft erodiert.