Mittwoch, 1. April 2015

Fracking, TTIP und unser Grundgesetz

Wie nicht anders zu erwarten, wurde heute das Fracking-Gesetz durch das Kabinett gewunken. Nicht anders zu erwarten, da sich unsere "Volksparteien" lange nicht mehr durch Volks-, dafür durch Wirtschaftsnähe auszeichneten.
Natürlich kann man jetzt sagen, dass das Gesetz genug Einschränkungen für den Umweltschutz mit sich bringt. Wenn man sich allerdings diese Einschränkungen genauer anschaut, merkt man schnell, dass es Augenwischerei ist. Ja, die Kommisionen für die Freigabe von Frackinggebieten haben ein Vetorecht, sind allerdings in keinster Weise demokratisch legitimiert oder kontrolliert. Dem Einfluss durch die Wirtschaft stehen somit Tür und Tor offen.
Natürlich kann man sagen, dass Frackinggegner konservative Zukunftsverweigerer sind, doch trifft dies wirklich zu? Was ist denn fortschrittlich am Fracking? Eigentlich ist es nur eine Verlängerung des fossilen Zeitalters mit anderen Mitteln. Während einerseits die Energiewende immer mehr ins Stocken gerät, soll unsere Umwelt langfristig geschädigt werden, nur um uns energietechnisch "unabhängiger" zu machen, vor allem von Russland? Was ist das für eine Argumentation? Die paar kümmerlichen konventionellen Schiefergasquellen, die in NRW bereits angebohrt werden, sind in wenigen Jahren versiegt. Dann sind die Gewinne abgeschöpft und die Langzeitfolgen darf wieder das Land tragen, wie es bereits bei der Kohleförderung oder der Atommüllentsorgung passierte.
Wie kann man sich Volksvertreter schimpfen, wenn immer wieder Gewinne privatisiert und Verluste auf die Gesellschaft abgewälzt werden? Wie kann man sehenden Auges Gesetze abnicken, welche einen offensichtlichen Schriftzug der Lobby tragen und entsprechende Interessenträger gegenüber der Allgemeinheit bevorteilen?
Ähnlich verhält es sich mit der Diskussion zum Einschränken von Gentechnik: Statt einer bundesweiten Regelung für die Zulassung von gentechnisch veränderten Lebewesen soll diese Entscheidung auf Landesebene fallen. Natürlich könnten dadurch auch die Bauernverbände größeren Einfluss auf die für sie relevanten Zulassungsverfahren erhalten, doch wer wird wohl der größte Nutznießer einer entsprechenden Regelung sein? Konzerne, die ihren Einfluss nicht nur an einer, sondern an 16 Stellen wirken lassen können. Sollte nur eines der 16 Länder umkippen, kann dies schnell einen Dominoeffekt auslösen: Wind und Bienen machen nicht vor Landesgrenzen halt, irgendwann wandern die kontaminierten Gensequenzen auf andere Felder, in andere Länder. Im Falle von Monsantos Vertragsbestimmungen hat entsprechender Einflug bereits zu existenzbedrohenden Strafzahlungen in Südamerika geführt.
Wer jetzt sagt, dass wir allerdings in einem Rechtsstaat leben, wo Konzerne bei weitem keinen solch großen Einfluss haben und über dem Gesetz stehen, dem muss ich entgegenbringen: Noch!

Wird erstmal TTIP, oder auch schon CETA, in der jetzigen Form umgesetzt, kann auch Monsanto entsprechende Klagen gegen die Bauern bringen bzw. sollte der Staat mit entsprechenden Gesetzen vor derartiger Willkür schützen wollen, kann der Staat verklagt werden.
Selbst wenn dies ein überspitztes Beispiel sein mag, das drohende Szenario einer verstärkten Entdemokratisierung ist real.

Wir brauchen nicht noch mehr Einfluss der Konzerne auf unsere gesellschaftliche Ordnung. In den letzten Jahren wurden schon zu viele europäische soziale Errungenschaften auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert. Dieser Prozess muss enden, sonst ist unsere Demokratie bald nur noch eine leere Worthülse.

Ich möchte in Erinnerung rufen, was der zwanzigste Artikel unseres Grundgesetzes besagt:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
...
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Sowohl der demokratische als auch, und vor allem, der soziale Charakter dieses Landes wird durch die Freihandelsabkommen nachweislich gefährdet. Wir haben also das Recht, ich würde sogar sagen, die Pflicht, diese Ordnung zu verteidigen. Da die vorhandenen demokratischen Mittel wie Volksbegehren, Petitionen oder europaweite Unterschriftenaktionen ausgeschöpft und von unseren Eliten bisher als hysterisch abgetan wurden, haben wir nun das Recht zum Widerstand.

Vielleicht muss diesmal mehr brennen als ein paar Polizeiautos...