Montag, 24. August 2015

Die neue Völkerwanderung

Heute früh hörte ich im Radio diesen Begriff, dass wir vor "einer neuen Völkerwanderung" stehen.

Der Begriff hat mich nicht losgelassen. Tatsächlich stehen wir vor einer Epoche mit Menschenwanderungen unbekannten Ausmaßes.

Dabei lässt sich die Kausalität leicht ergründen: Das Handy ist zum wichtigsten Werkzeug des Bauern der dritten Welt geworden. Mit dem Handy wird das Internet Bestandteil des Alltags. Während sich bis dahin die potenziellen Erfahrungen auf die eigenen und Geschichten anderer beschränkten, kann nun jeder zumindest einen Eindruck davon bekommen, wie das Leben in anderen Regionen der Erde ist.
Diese Kostprobe eines besseren Lebens lässt einen natürlich nicht die Heimat verlassen. Wenn allerdings der eigene Acker von Agrarkonzernen aufgekauft bzw. abgenommen wird (Stichwort Landgrabbing), das Wasser nicht mehr fließt (Stichwort Stete Verknappung der Süßwasserressourcen) oder einfach nicht von seinen Erzeugnissen leben kann (Stichworte Freihandelsabkommen und EU-Agrarsubventionen), schweift der Blick in die Ferne. Dazu muss nicht mal Bürgerkrieg im Land herrschen.
Das ist keine Gier nach einem besseren Leben, dass ist das Klammern an einem Strohhalm zum Überleben.

Europa als sicherer Wohlstandshafen ist nicht nur (ein) Ziel dieser Wanderung, es trägt als Hort der größten Weltkonzerne wie Nestlé auch dazu bei, dass immer mehr Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren. Manche Freihandelsabkommen zwischen der EU und einzelnen Dritte-Welt-Ländern lassen eine normale wirtschaftliche Entwicklung der Länder gar nicht zu. Die Abkommen dienen schlussendlich nur der Erhaltung eines potenziellen Marktes für die Global Player.

Und was tut die EU, um den wachsenden Flüchtlingszahlen begegnen zu können?
Erneuerung des Dublinabkommens, um über einen Schlüssel die Flüchtlinge gerecht zu verteilen? Fehlanzeige.
Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens, zumindest im Schengen-Raum, damit es allgemein gerechter zugeht? Nicht in Arbeit.
Bau von Flüchtlingseinrichtungen mit Hilfe des aufgeblasenen spanischen Bausektors und den aufgeblähten EU-Fördertöpfen? Viel zu wenig.

Nein, die EU baut einen Zaun ans Mittelmeer, welcher der DDR-Grenze zur Ehre gereicht hätte. Dass sich von einem Zaun niemand aufhalten lässt, der alles zurückgelassen und über tausende Kilometer sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, scheint unseren oberen Lenkern nicht einzuleuchten. Empathie war allerdings noch nie deren Stärke.
Menschen stehen nicht im Mittelpunkt der EU-Interessen, sie haben keine Lobby.

Und in Deutschland? Da schwadroniert der Innenminister von sicheren Herkunftsländern und Sachleistungen, während inzwischen täglich (!) Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt werden. Interessanterweise wird das übrigens bisher nicht als Terror bezeichnet, obwohl das Wort sonst bei jeder Gelegenheit verwendet wird. Dabei ist das, was derzeit wieder in Deutschland abläuft, Terror, die "systematische Verbreitung von Angst und Schrecken".

Man hat den Balkan quasi die letzten 15 Jahre sich selbst überlassen, keine Aufbauhilfe oder ähnliches gegönnt. Bisher war es eine naheliegende, billige verlängerte Werkbank. Im Kosovo sind noch Blauhelme unterwegs, wie kann das also ein sicheres Herkunftsland sein? Eigentlich hätte man nach dem Kalten Krieg begreifen sollen, dass man nach einer militärischen Intervention den Staat auch wieder aufbauen muss. Das wurde weder in Jugoslawiens Nachfolgestaaten noch in Lybien getan. Das langfristige Ergebnis sehen wir in der europäischen Peripherie.

Und die Debatte über sichere Herkunfsländer sorgt dafür, dass sich Kosovo-Albaner und Marokkaner in den Flüchtlingsheimen an die Gurgel gehen, weil der eine dem anderen vermeintlich den Platz weg nimmt.

Ein Mensch ohne Perspektive verliert jeden Tag ein Stück seiner Menschlichkeit

Wir haben die Ellenbogengesellschaft auf nationaler Ebene in die Welt getragen, nun müssen wir diese Entwicklung zurückdrehen oder mit den Folgen leben.


Erst, wenn wir begriffen haben, dass unser auf unbegrenztes Wachstum basierendes Wirtschaftssystem keinen Platz auf einem begrenzten Planeten hat, haben wir die Chance, eine globale Gesellschaft aufzubauen, wo jeder im Wohlstand leben kann.

Dazu braucht es nur ein anderes Bild von Wohlstand!

Montag, 17. August 2015

Die Schizophrenie der Rechten

Was ist nur passiert? Vor fünf Jahren wurde noch über die Regulierungseskapaden der EU diskutiert und inwiefern in einzelnen Ländern der Abbau des Sozialstaats das Wachstum fördern soll.

Heute wird ungeniert gehetzt, Sprüche im Ton von "Ausländer raus" findet man nicht in kleinen verschworenen Gruppen, sondern findet man in allen öffentlichen Ecken der sozialen Medien, wo sie sogar entsprechenden Zuspruch finden.

War es vielleicht Sarrazin und anschließend PEGIDA, welche schwelende Feuer erst auflodern ließen? Wäre das gesellschaftliche Klima ein anderes, hätten die genannten Brandstifter nicht die entsprechende mediale Aufmerksamkeit bekommen?

Vielleicht, irgendjemand hätte aber sowieso eine Debatte zum Integrationsdilemma angestoßen. Doch ohne vernünftige Diskussionskultur bildet sich keine akzeptable Mehrheitsmeinung, sondern ein dividierendes Schwarz-Weiß: "Migrationsskeptiker" sind alles Rassisten und "Gutmenschen" verblendete Optimisten. Diesen Eindruck bekommt man. Dass die Wahrheit irgendwo im Grau liegt und Menschen nun mal einfach Menschen, mit all ihren Stärken, Schwächen und Ängsten, sind, wird scheinbar nicht mehr gesehen. Die Gegenseite treibt es immer so extrem, dass unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert wird.

Rassisten wird es immer geben. Der Mensch verspürt evolutionsbedingt Unsicherheit bei Sachen, die ihm fremd sind. Wer also nicht viel kennt, hat vor vielen Dingen Angst.
Zum Problem wird das allerdings nur, wenn sich Leute in ihrer Unwissenheit gegenseitig wieder Sicherheit geben können, sich bestärken und das Gefühl vermitteln, das Richtige zu tun.

Aktuell ist das hauptsächlich das Schüren von Hass.

Man sollte meinen, dass Hass als Gefühl in einer zivilisierten Gesellschaft nichts mehr zu suchen hat, erst recht nicht als verbreitete Grundstimmung. Hass gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe hat vor 80 Jahren dafür gesorgt, dass der Zerstörung Europas der Weg bereitet wurde.

Was treibt die Menschen also zum Hass? Angst um die eigene Existenz? Neid auf das sorgenlosere Leben anderer? Sorge um das Fortbestehen der eigenen Kultur?

Dem Pakistani von nebenan wird es herzlich egal sein, welche Weihnachtslieder wir singen oder was in so einem Schützenverein getrieben wird. Wieso sollten wir also unsere kulturelle Identität aufgrund von "Überfremdung" verlieren?
Wenn der Weihnachtsmarkt in Wintermarkt umbenannt wird, war das übrigens nicht der böse Ausländer, sondern, ja ich nehme jetzt dieses Wort, Gutmenschen, die kulturelle Rücksichtnahme falsch verstanden haben. Aber darüber kann man zivilisiert reden, dafür muss kein Flüchtlingsheim brennen und kein Politiker bedroht werden.

Ein anderes Argument, dass ich in letzter Zeit ständig lese, vor allem aus konservativ angehauchten Kreisen, ist folgender Satz: "Wenn Kitas und Straßen so schnell gebaut würden wie Asylbewerberheime, dann wäre ich zufrieden." Abgesehen davon, dass ich keine Kita haben will, die den Qualitätsstandards eines Asylbewerberheims gleicht, ist auf den ersten Blick nichts gegen dieses Argument zu sagen.
Dann sollte man sich aber bitte vor Augen halten, dass die konservative CDU mit ihrer seit Jahrzehnten wirtschaftshörigen Politik großen Anteil an der jetzigen desaströsen Situation hat. Stattdessen schimpft man lieber auf die elenden Linken, als ob sie für die Flüchtlingsströme verantwortlich wären, die sowieso in unser Land kommen werden. Konsequente linke Politik hätte es gar nicht so weit kommen lassen, dass der komplette Mittelmeerraum verelendet.
Unsere Gesellschaft hätte auch nicht die Ellbogen ausgefahren, damit nur die Stärksten ein sorgenfreies Leben haben können.

Doch das scheint dem kleinen, rechten Mann nicht einzuleuchten. Die Linke ist nun mal ein Schreckgespenst der Reichen. Und da diese Reichen die Meinungsbildung quasi in der Hand haben, hat der Normalo-Michl Angst vor den Linken, obwohl sie in seinem Sinn handeln könnten.

Kleiner Nachdenkhappen zum Schluss: Würden für Asylbewerber 5,1 Milliarden Euro in einem Jahr ausgegeben, würden in Deutschland wieder Rathäuser brennen. Doch wenn man den Leuten vorrechnet, dass aufgrund von Öffentlich-privater Partnerschaften die Sanierung von sechs Autobahnteilstücken den Staat allein 2014 5,1 Milliarden Euro mehr gekostet hat, verglichen zu den Kosten der staatseigenen Autobahnmeistereien, gibt es keinen Aufschrei. Entweder weil die Leute es nicht wissen oder nicht verstehen können oder wollen.

Wie viel 5,1 Milliarden Euro in der Bildung oder bei den Kommunen bewegen könnten, muss man wohl nicht extra erklären. Wenn schon, dann sollten wegen solcher Skandale Gebäude brennen. Nicht, wenn der Staat versucht, Menschen in Not ein Existenzminimum zu stellen.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Der postamerikanische Traum

Heute wurde bekannt, dass laut Wikileaks-Dokumenten die USA die vergangenen drei französischen Präsidenten abgehört hat. Man darf nun also mutmaßen, dass nicht nur Deutschland als dezidierter Vasallenstaat bis in die oberen Regierungskreise durchleuchtet wurde, sondern auch andere wichtige Verbündete.
So ist Frankreich der wichtigste kontinentaleuropäische Partner der USA beim "Kampf gegen den Terror". Hier potenzielle Terrorgefahr zu vermuten, dürfte also weit hergeholt sein. Wieso werden dann also demokratisch gewählte Volksvertreter überwacht?

Die einzige, momentan für mich schlüssige Antwort auf diese Frage ist die Erlangung von Druckmitteln. Wissen ist Macht, besonders im Informationszeitalter. Weiß man um die Fehltritte mächtiger Personen, so hat man diese in der Hand.
Das ist auch das eigentliche Problem bei den Geheimdienstskandalen der letzten Jahre: Ein Geheimdienst, der Grenzen übertritt und Volksvertreter überwacht, wird schlussendlich einen enormen Einfluss auf unser (post-)demokratisches System ausüben können. In Verbindung mit Medien, die jeden noch so kleinen Fauxpas zum Skandal aufblähen können (Stichwort Wulff), sind Politikern, welche die Macht von Geheimdiensten beschneiden wollen, die Hände gebunden.

Wozu ein Staat im Staate dann schlussendlich in der Lage sein kann, sollte jedem bekannt sein, dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts geläufig ist. So blauäugig, wie die SPD bei der Vorratsdatenspeicherung, zu sein, dass Überwachungsmaßnahmen in einer Demokratie nur zum Wohle der Bevölkerung eingesetzt werden, ist fatal. Die Weimarer Republik verwandelte sich schließlich auch binnen weniger Monate in eines der totalitärsten Regimes des 20. Jahrhunderts. Wohlgemerkt sehenden Auges von vermeintlichen Demokraten.
Dass das Demokratieverständnis einiger Volksvertreter stark gelitten hat, zeigt sich nicht nur im Umgang mit der griechischen Syriza, sondern auch beim SPD-Innenminister Reinhold Gall. Von den christlichen Volksparteien brauche ich hier gar nicht erst anfangen.

Die USA sind dabei spätestens seit 2001 selbst mit dem Patriot-Act, nun Neusprech in Freedom-Act umgetauft, auf dem "besten" Weg, ihre ehemals inspirierende Demokratie zu demontieren. Bei bestimmten Bundeswahlen sind Wahlbeteiligungen unter 25% keine Seltenheit mehr. Rent-Seeking, die langfristige Gewährleistung von Gewinnen ohne entsprechende Gegenleistung, ist vom zu bekämpfenden inzwischen zum staatlich geförderten Modell geworden, man verweise nur auf die Patent-Praktiken von Apple bis Monsanto. In kaum einem Industrieland geht die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie im Land des amerikanischen Traums. Dass diese Ungleichheit Demokratien ad absurdum führen kann, werde ich hier nicht ausführen, sollte aber schnell einleuchten. Wer sich allerdings diesbezüglich weiterbilden will, dem lege ich Joseph Stiglitz´ "Der Preis der Ungleichheit" wärmstens ans Herz.

Nun hat die EU die Sanktionen gegen Russland weiter verlängert. Die USA dagegen handeln munter weiter, haben sogar ihr Handelsvolumen mit Russland entsprechend gesteigert.

Nun ist bekannt, dass mit Frankreich und Deutschland die Doppelspitze der EU ausspioniert wurde. Was muss noch passieren, damit unser Verhältnis zu den USA endlich auf den Prüfstand gestellt wird. Wie können wir offiziell für westliche Werte eintreten, wenn diese von "unserer Schutzmacht" quasi täglich mit Füßen getreten werden?

Vielleicht wird sich am Ende der französischen Spionageaffäre der BND entschuldigen müssen, da sich der NSA aus der Schusslinie verzogen hat.

Vielleicht aber wird am Ende die EU endlich begreifen, dass sie, richtig aufgestellt, nicht auf die USA insofern angewiesen sind, dass sie sich alles diktieren lassen muss.

"... allein mir fehlt der Glaube."

Mittwoch, 17. Juni 2015

Neu-Gier und Angst


Neugierige sind die besseren Leute,
Steile These, muss man erklären,
Doch schaut man auf die Straße heute,
Kann man sich des Eindrucks nicht erwehren,
Dass es offene Menschen gibt,
Und Menschen mit kleiner Welt. 
Der Eine ist beim Anderen nicht beliebt,
Und der Andere sich über den Einen stellt.

Für den Einen ist das Fremde Wurzel allen Bösen,
Für den Anderen die kleinkarierte Verschlossenheit.
Doch lässt sich die Ursache beim Einen leicht entblößen.
Es ist die Angst, die ihn zur Hetze treibt.
Angst vor dem Verlust seiner Tradition, in die er kaum passt,
Angst vor Verlust der Identität, die er nicht auslebt.
Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, den er hasst.
Angst vor Gewalt, von der er hört, doch nie erlebt.

Man hat Angst voreinander,
Der Asylbewerber und der Kleingeist,
Man lebt sich auseinander,
Sich selbst in die Schranken weist.
Wut kommt auf und Unverständnis,
aus erfundener wird reale Gewalt,
So ist Konfrontation gewiss,
Bis es auf der Straße knallt.

So weit darf es nicht kommen,
Die Gefahr kommt nicht aus Afrika,
Viele haben den Ruf schon vernommen,
Das Problem sitzt in Amerika.
Konzerne wollen wachsen, um jeden Preis,
Demokratie und Menschenrechte stoßen dabei auf,
Und wie hoffentlich inzwischen jeder weis,
Nimmt man Menschenopfer bewusst in Kauf.

Für unseren übertriebenen Wohlstand,
Bluten Landstriche, ganze Nationen,
Doch wehe sie wollen in unser Land,
Dann treffen sich auf Straßen Legionen.
Wäre diese Welt gerecht,
Müsste niemand fliehen,
Das Leben wäre echt,
Niemand müsste knien.

Doch statt sich zu erheben,
Seine Rechte einzufordern,
Wir alle weiter im Falschen leben,
Und Asylbewerber zurückbeordern.
Haben falsche Feindesbilder,
Uns am Leid der Schwachen laben,
Und das Kapital treibts immer wilder,
Bis wir alle gar nichts haben.

Dienstag, 16. Juni 2015

Das unsoziale Netzwerk

In den letzten Tagen ist mir vermehrt aufgefallen, dass die Likes und Posts weniger Dutzend Menschen meinen Zeitstrahl bei Facebook dominieren. Wenn man allerdings bedenkt, dass das soziale Netzwerk potenziell aus Hunderten von Bekanntschaften und Seitensympathien schöpfen könnte, macht einen das stutzig.
Natürlich gibt es viele Karteileichen, und mindestens genausoviele Leute, mit denen der facebook´sche Algorithmus keine Gemeinsamkeiten feststellen kann und sie darum ausblendet. Allerdings gibt es auch viele Personen, die einem ständig über den Zeitstrahl wandern, ohne dass man groß Kontakt pflegt. Da stellt sich dann die Frage, ob der Algorithmus mehr über die Beziehung zu dieser Person weiß, als man selbst einschätzen würde, oder ob diese Person einfach so unglaublich viel auf Facebook interagiert, dass man es quasi nicht übersehen kann.
Folgt man letzterer Begründung, kann dies zu einem traurigen Schluss führen: Immer mehr Menschen nehmen auf Facebook, DEM Zeitfresser unserer Generation, gerade die Leute vermehrt wahr, die so wenig mit sich anzufangen wissen, dass sie ihre kostbare Zeit auf dieser Plattform verbringen. Menschen, die dagegen ihre Zeit mit richtigen Hobbies füllen, etwas erleben oder einfach nur dieser Maschine fernbleiben, rücken somit immer weiter aus dem Bewusstsein des Facebook-Geschädigten heraus.
Versteht mich nicht falsch, ich sehe mich selbst als Facebook-Geschädigten, auch wenn ich den Vorwand vor mir hertrage, dies aus politischer Motivation zu tun.
Dennoch sollte man mal darüber nachdenken, was mit den Facebooklosen ist. Werden sie noch zum Klassentreffen eingeladen? Oder hat man inzwischen vergessen, dass diejenige Person auch Jahre der Schulzeit mit einem geteilt hat?
Wie verändert Facebook die Wahrnehmung unseres sozialen Umfeldes? Nicht nur bzgl. des ständigen Vergleichens mit den perfekten digitalen Leben der Anderen. Rücken nicht die wirklich interessanten Personen, die sich gar keine Zeit für Facebook nehmen wollen, immer weiter in den Hintergrund? Isoliert uns Facebook nicht vom wirklichen Leben?

Kramt mal alte Nummern oder Adressen von Facebook-Abstinenzlern aus und trefft euch, während man mindestens einen Tag auf Facebook verzichtet.
Wird man der Versuchung standhalten können, mal 24 Stunden nicht zu wissen, was im virtuellen Freundeskreis passiert ist? Wie ist es, mit einer Person Zeit zu verbringen, die zumindest in der Theorie bedeutend mehr im Hier und Jetzt lebt als der durchschnittliche Social-Media-User?

Vielleicht hilft es, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.. konzentrieren zu können!

Donnerstag, 28. Mai 2015

Spielball Europa

Es gibt wieder Unruhen in Europa. Nicht die Ukraine, sondern Mazedonien.
Kriegt man nicht mit, bei all dem GDL-Bashing. Während der Bahnstreik die letzten Tage ständig Thema war, wurde kaum diskutiert, dass Die Bahn die Verhandlungen effektiv boykottiert. Sie bestehen darauf, dass die Verhandlungen einen mit der EVG gleichwertigen Abschluss erzielen. Das mag löblich klingen, dennoch wird damit die Tarifautonomie der Gewerkschaft untergraben, also die Möglichkeit, einen eigenen Tarifvertrag auszuhandeln.
Das wird offensichtlich von der Großen Koalition unterstützt.
Das "Tarifeinheitsgesetz" ist ja quasi dank des Bankstreiks entstanden. Überraschend, wie schnell das manchmal geht. Hoffen wir auf Karlsruhe, das Verfassungsgericht. Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat, auch wenn man nur noch selten den Eindruck hat.
Schließlich gab es zuallermindest Versuche des NSA, europäische Firmen und Vereinigungen zu überwachen. Ob der BND dies versuchte einzuschränken, was bezweifelt werden darf, ist dann nicht mal die Frage.
Die Frage ist, wieso in keinster Weise das Verhältnis Deutschlands zur USA in Frage gestellt wurde.
Vielleicht gefällt das der Großen Koalition...
Zuletzt hat man die Sanktionen gegen Russland unterstützt, da es genug Belege gab, dass Interventionen seitens Russland gegen die Ukraine durchgeführt wurden. 
Außenpolitisch hat man zuletzt Sanktionen gegen Russland unterstützt, die beiden Ländern geschadet haben. Selbst wenn Russlands Handlungen in der Ukraine zu verurteilen sind, passten die Unruhen des Maidan offensichtlich gut in die Globalstrategie der USA. Die prorussischen Oligarchen wurden gegen proamerikanische ausgetauscht. Deutschland als Taktgeber Europas und wichtiger Partner Russlands, konnte von eben jenem Land weiter distanziert werden. Das billige US-Frackinggas konnte als Alternative zum russischen Erdgas lanciert werden.
In den meisten Medien wurden diese "cui bono"-Zusammenhänge seltenst dargestellt. Es wurde nicht analysiert, wie der Zustand entstanden ist, sondern nur noch der Zustand kommentiert. Wie beim IS, wo man Grausamkeit minutiös beschreibt, aber nicht darstellt, wie der IS zu seiner Macht kommen konnte.
Als passiver Konsument bekommt man den Eindruck, dass es hier zu einer bloßen Verkettung von Zufällen kam.

Wenn man allerdings folgendes Video, u.a. mit dem früheren Oberbefehlshaber der NATO Wesley Clark, anschaut, verhärtet sich der Eindruck, dass die Ukraine, ISIS und seit neustem Mazedonien Schauplätze amerikanischen Einflusses sind.

Doch während die USA Brände legen und sich anschließend als Feuerwehr feiern lassen, wird immer noch nicht hinterfragt, ob Europas bedingungslose Hörigkeit gegenüber diesen Kriegstreibern berechtigt ist.

Und in zwei Jahren, wenn Bundestagswahl ist, wird der Großteil wieder vergessen haben, in welchem Maße die Regierung uns belogen und hintergangen hat.

Dienstag, 19. Mai 2015

Deine Weltzeit

Während du das liest,
... haben Menschen ihren ersten Kuss,
... geben sich Menschen den letzten Schuss,
... zeigen sich Paare ihre Liebe,
... schenken sich Paare wieder Hiebe.

Während du das liest,
... verliert ein Bauer sein Land,
... bauen Kinderhände Tand,
... ertrinken Flüchtlinge im Meer,
... kriegen Kinderhände ein Gewehr.

Während du das liest,
... macht jemand seine Steuererklärung,
... kommt jemand frei auf Bewährung,
... sorgt sich jemand um seinen Bausparvertrag,
... lebt irgendjemand in den Tag.

Während du das liest,
... fährt ein Castor in den Schacht,
... verliert ein Landstrich seine Pracht,
... stirbt ein Delphin in einem Netz,
... stirbt ein Tiger für seinen Pelz.

Während du das liest,
... sammelt ein Rentner Dosen,
... erntet ein Gärtner Rosen,
... machen Zinsen aus Nichts Millionen,
... verschulden sich Völker auf Äonen.

Während du das liest,
... werden Gründe für VDS gesponnen,
... wird ein Prozess gewonnen,
... werden unzählbar Daten gesammelt,
... wird von oben Beschwichtigung gestammelt.

Während du das liest,
... bekommen die Menschen ein Profil,
... verlieren die Menschen ihr Ziel,
... kontrollieren Menschen Gedanken,
... verweisen Andere in Schranken.

Während du das liest,
... wird sich an all dem nichts ändern.
 Während ich das schreib,
... wird sich an all dem nichts ändern.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt,
Dass man sich in die Zukunft versetzt,
Und sich die Menschheit eingesteht,
Dass es so nicht weitergeht.

Mittwoch, 1. April 2015

Fracking, TTIP und unser Grundgesetz

Wie nicht anders zu erwarten, wurde heute das Fracking-Gesetz durch das Kabinett gewunken. Nicht anders zu erwarten, da sich unsere "Volksparteien" lange nicht mehr durch Volks-, dafür durch Wirtschaftsnähe auszeichneten.
Natürlich kann man jetzt sagen, dass das Gesetz genug Einschränkungen für den Umweltschutz mit sich bringt. Wenn man sich allerdings diese Einschränkungen genauer anschaut, merkt man schnell, dass es Augenwischerei ist. Ja, die Kommisionen für die Freigabe von Frackinggebieten haben ein Vetorecht, sind allerdings in keinster Weise demokratisch legitimiert oder kontrolliert. Dem Einfluss durch die Wirtschaft stehen somit Tür und Tor offen.
Natürlich kann man sagen, dass Frackinggegner konservative Zukunftsverweigerer sind, doch trifft dies wirklich zu? Was ist denn fortschrittlich am Fracking? Eigentlich ist es nur eine Verlängerung des fossilen Zeitalters mit anderen Mitteln. Während einerseits die Energiewende immer mehr ins Stocken gerät, soll unsere Umwelt langfristig geschädigt werden, nur um uns energietechnisch "unabhängiger" zu machen, vor allem von Russland? Was ist das für eine Argumentation? Die paar kümmerlichen konventionellen Schiefergasquellen, die in NRW bereits angebohrt werden, sind in wenigen Jahren versiegt. Dann sind die Gewinne abgeschöpft und die Langzeitfolgen darf wieder das Land tragen, wie es bereits bei der Kohleförderung oder der Atommüllentsorgung passierte.
Wie kann man sich Volksvertreter schimpfen, wenn immer wieder Gewinne privatisiert und Verluste auf die Gesellschaft abgewälzt werden? Wie kann man sehenden Auges Gesetze abnicken, welche einen offensichtlichen Schriftzug der Lobby tragen und entsprechende Interessenträger gegenüber der Allgemeinheit bevorteilen?
Ähnlich verhält es sich mit der Diskussion zum Einschränken von Gentechnik: Statt einer bundesweiten Regelung für die Zulassung von gentechnisch veränderten Lebewesen soll diese Entscheidung auf Landesebene fallen. Natürlich könnten dadurch auch die Bauernverbände größeren Einfluss auf die für sie relevanten Zulassungsverfahren erhalten, doch wer wird wohl der größte Nutznießer einer entsprechenden Regelung sein? Konzerne, die ihren Einfluss nicht nur an einer, sondern an 16 Stellen wirken lassen können. Sollte nur eines der 16 Länder umkippen, kann dies schnell einen Dominoeffekt auslösen: Wind und Bienen machen nicht vor Landesgrenzen halt, irgendwann wandern die kontaminierten Gensequenzen auf andere Felder, in andere Länder. Im Falle von Monsantos Vertragsbestimmungen hat entsprechender Einflug bereits zu existenzbedrohenden Strafzahlungen in Südamerika geführt.
Wer jetzt sagt, dass wir allerdings in einem Rechtsstaat leben, wo Konzerne bei weitem keinen solch großen Einfluss haben und über dem Gesetz stehen, dem muss ich entgegenbringen: Noch!

Wird erstmal TTIP, oder auch schon CETA, in der jetzigen Form umgesetzt, kann auch Monsanto entsprechende Klagen gegen die Bauern bringen bzw. sollte der Staat mit entsprechenden Gesetzen vor derartiger Willkür schützen wollen, kann der Staat verklagt werden.
Selbst wenn dies ein überspitztes Beispiel sein mag, das drohende Szenario einer verstärkten Entdemokratisierung ist real.

Wir brauchen nicht noch mehr Einfluss der Konzerne auf unsere gesellschaftliche Ordnung. In den letzten Jahren wurden schon zu viele europäische soziale Errungenschaften auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert. Dieser Prozess muss enden, sonst ist unsere Demokratie bald nur noch eine leere Worthülse.

Ich möchte in Erinnerung rufen, was der zwanzigste Artikel unseres Grundgesetzes besagt:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
...
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Sowohl der demokratische als auch, und vor allem, der soziale Charakter dieses Landes wird durch die Freihandelsabkommen nachweislich gefährdet. Wir haben also das Recht, ich würde sogar sagen, die Pflicht, diese Ordnung zu verteidigen. Da die vorhandenen demokratischen Mittel wie Volksbegehren, Petitionen oder europaweite Unterschriftenaktionen ausgeschöpft und von unseren Eliten bisher als hysterisch abgetan wurden, haben wir nun das Recht zum Widerstand.

Vielleicht muss diesmal mehr brennen als ein paar Polizeiautos...