Mittwoch, 19. Oktober 2016

Orient und Okzident - Ossis

Schon putzig:
Witze über "Ossis" sind ok, ich hab noch nie von einem Aufschrei über eine übertretete Linie gehört. Ich bin es gewohnt und kann darüber lachen.

Aber man macht keine Witze über Schwarze, Juden, Behinderte, Frauen (ich fühl mich schon bei der Aufzählung unwohl)...

Im großen Ganzen ist das aber alles eine Frage der Geburt. Ob man über entsprechende Witze lachen kann, hängt doch immer vom Selbstbild und der Intention des Witzboldes ab.

Die Ironie bei der Sache ist, dass sich eher (nicht nur!) rechtsorientierte Leute an Vorverurteilungen, die sie betreffen, stoßen. Leute, die den Gedanken der Political Correctness skeptisch gegenüberstehen, würden von ihr profitieren. Schließlich ist dessen Ziel auch, die Mauern in den Köpfen einzureißen.

Sollten wir also nicht lieber darauf achten, wieso wir etwas sagen, denn was wir sagen? Aufeinander zugehen statt immer neue Gräben zu schaufeln?

Könnten wir vielleicht aufhören, chauvinistische Arschlöcher zu sein, die auf Andere und Andersdenkende herabblicken? Den Anderen erst mal kennenlernen, bevor man ihn beurteilt?

Hass kann man jedenfalls nicht mit Hass bekämpfen.

Montag, 21. März 2016

Legal, Illegal, gar nicht egal


Am Wochenende wurde der sogenannte Türkei-Deal verabschiedet, also die Rahmenbedingungen für Flüchtlingsmigration zwischen Türkei und EU gelegt. Zwar gibt es unzählbare Kritikpunkte, dass er gegen geltendes Recht verstößt, dass der Bock Erdogan, welcher selbst gerade Flüchtlinge im Südosten der Türkei schafft, zum Gärtner gemacht wird und dass sich die EU generell zu stark in die Hände eben dieser unkalkulierbaren Türkei begibt.
Doch etwas wurde mit diesem Deal organisiert, was es so noch nicht für die EU gab und was man schon Jahre früher hätte regeln solln: Legale Fluchtwege in die EU.

Wer bisher ohne Visa in die EU wollte, konnte nur über die Küstenregionen illegal einwandern und sich dann laut Dublin-Abkommen als Flüchtling registrieren lassen. Dazu musste man aber erst mal an die Küste kommen. Schon damals füllten Schlepper diese Marktlücke, man erinnere sich an Lampedusa. Schon damals war dieses Prinzip unkontrolliert, entwürdigend und unfair. Da es allerdings keine hohen Wellen schlug und nur die Peripherie Europas betraf, wurde dieses Prinzip nicht in Frage gestellt.

Doch währenddessen wuchsen mafiöse Strukturen an den Einnahmen der Schlepper, ein Geschäftsmodell entstand. Nun liegt es im Interesse dieser Schlepper, dass mehr Menschen ihre kostbaren Dienste in Anspruch nehmen. Um Nachfrage zu wecken, betreibt man in der Regel Marketing. Ich halte es nicht für abwegig, dass die teilweise absurden Vorstellungen, welche man vereinzelt von Flüchtlingen hört (dass man z.B. Haus und Auto in Dtl. geschenkt bekommt), eben von diesen Schleppern erdacht wurden.

Der eigentliche Knackpunkt ist allerdings Folgender: Man stelle sich vor, die Konflikte im Nahen Osten können beigelegt werden und die Migration ebbt entsprechend ab. Die Schleppernetzwerke haben nun allerdings entsprechende Kapazitäten aufgebaut. Im extremsten Fall werden dann die Marketingambitionen auf andere Länder, z.B. in Afrika, gerichtet, um den Bedarf an deren Dienstleistung hoch zu halten. Im Zweifel sorgen aber die EU-Länder mit ihren Handelsabkommen schon selbst für entsprechende Migrationsbewegungen.

Jedenfalls hat der Staat aufgrund dieser Illegalität sich selbst die Möglichkeit genommen, die Migration an einem beliebigen Punkt zu kontrollieren. An dessen Stelle treten illegale Organisationen, welche die Einnahmen z.B. für die Terrorunterstützung verwenden.


Genau dieselbe Kausalität findet man beim Drogenhandel. Statt Betäubungsmittel je nach Stärke wie andere Rauschmittel oder wie Medizin zu (be-)handeln, führt deren Prohibition dazu, dass der Staat jegliche Kontrollmöglichkeit verliert. Der Handel kann nicht versteuert werden und finanziert statt der Gemeinschaft Subjekte bzw. Organisationen mit genug krimineller Energie. Die Nachfrage sinkt keineswegs, aber die Nutzer werden kriminalisiert und am Ende mit ihrer Sucht gesellschaftlich allein gelassen. Der Staat verwendet viel Zeit und Aufwand in Judikative und Exekutive, um Probleme zu bekämpfen, die er selbst geschaffen hat.

Bis heute konnte mir niemand den Sinn hinter derartiger Prohibition schlüssig erklären. Doch beim Thema legaler und illegaler Fluchtwege wurde mir diese Frage noch viel zu selten gestellt!

Donnerstag, 17. März 2016

Too Big (To) Fail

Die vergangene Woche muss sich das Kapital die Hände gerieben haben.



Dass die AfD bei den Landtagswahlen so gut abgeschnitten hat, ist da nur ein Aspekt. Dass ein Volk sich freiwillig durch Rechte selbst entrechtet, ist leider inzwischen ein Treppenwitz der Geschichte. Wer genauer in das Wahlprogramm dieser Partei sieht, liest zwischen den Zeilen unkonkreter Sozialromantik eine neoliberale Agenda: Privatisierung von Krankenhäusern und Arbeitslosenversicherung, Senkung der Steuern für Vielverdiener, Beseitigung von „Wettbewerbshemmnissen“ wie dem Mindestlohn.
Zwar steht der Bundesparteitag noch aus, insofern ist dieses Programm nur bedingt valide, wenn man allerdings den Kader der AfD sowie deren Parteispender betrachtet, kommen starke Zweifel auf, dass diese Partei „Politik fürs Volk“ machen will.



Das weitaus krassere Ereignis ist allerdings die Leitzinssenkung der EZB auf 0%. Das passierte am Donnerstag und war bereits am Freitag nicht mehr in den Nachrichten zu hören. Ein Leitzins von 0% bedeutet allerdings, dass sich Banken nun Geld leihen können, ohne Zinsen dafür bezahlen zu müssen. Richtig, dann spricht man eigentlich nicht mehr von Leihen, sondern von Verschenken!
Im Zuge der Bankenkrise, die inzwischen zur Schuldenkrise umbenannt wurde, haben sich also Banken mit ihrer Zockerei selbst in den Ruin getrieben (nachdem sie jahrelang unvorstellbare Gewinne erwirtschaftet haben). Diese Unsicherheiten haben zu einer Rezession geführt, deren Auswirkungen noch heute sichtbar sind. Als Konsequenz daraus hat man die Banken mit Steuergeldern gerettet, da ein Konkurs bestimmter Banken angeblich zu noch größeren Verwerfungen auf den Märkten geführt hätte. Statt also das reinigende Gewitter durchzustehen, hat man die Lösung des Problems in die Zukunft geschoben. Allerdings kam es bis heute zu keiner konsequenten Regulierung der Banken, inzwischen wird sogar wieder mehr gezockt als noch vor 2008. Also statt die Banken zu bestrafen, hat man sie sogar belohnt. Man hat sie kaum eingeschränkt, schüttet sie allerdings mit Geld voll, in der Hoffnung, dass dieses Geld irgendwann in der Wirtschaft, wohlgemerkt verzinst, ankommt.
Diese Hoffnung hat sich leider nicht bewahrheitet, denn egal wie niedrig die Leitzinsen waren, es kam nicht mehr Geld in Umlauf. Hier kann man gern auf Einsteins Definition von Wahnsinn verweisen. Jedenfalls wird nun einfach noch mehr Geld für Spekulation verwendet. Das ist auch schön an der Entwicklung der Börsenwerte zu sehen, welche sich seit Jahren gänzlich von den realwirtschaftlichen Entwicklungen entkoppelt haben.



Dass diese außerpolitische Entwicklung, welche Auswirkungen für uns alle hat, nicht ausführlich von den Medien begleitet wird, macht skeptisch. Dass das Thema zu sperrig ist, kann ich mir nicht vorstellen.
Was allerdings noch skandalöser ist: Die EZB möchte wohl ihr Mandat nun gänzlich überschreiten und auch Unternehmensanleihen im Falle einer Krise aufkaufen. Wenn nun also ein Konzern in finanzielle Schwierigkeiten kommen würde, spränge die Europäische Zentralbank höchst selbst ein. Jeder Mittelständler, der bei Misserfolg seine Existenz verliert, müsste heulen vor Wut, wenn er so was hört. Aber er wird wohl nicht davon hören.



Natürlich ist Schwarz-Weiß-Denke recht billig und wie man an den derzeitigen Diskussionen um die Flüchtlingsproblematik merkt, sehr gefährlich. Allerdings sollte langsam den Menschen wieder bewusst werden, dass der ursprüngliche Klassenkampf-Gedanke von Arm gegen Reich heute hundert mal extremer ist als noch zu Zeiten von Marx.
Selbst Warren Buffett hat eingestanden, dass der große Kampf unserer Tage kein Religions- oder Kulturkampf ist, sondern der Krieg zwischen Arm und Reich. Jean Ziegler sagt, wenn TTIP durchkommt, werden die Reichen eine unglaublich wichtige Schlacht gewinnen.
Diese Woche wurde auch wieder eine solche Schlacht geschlagen. Nur hat das niemand mitbekommen...

Mittwoch, 17. Februar 2016

Alternativloser Aktionismus

Warum wir heute viel stärkere, international demokratisch legitimierte Institutionen brauchen.

Heutige Krisen sind internationale Krisen. So wie unser Handel und unsere Kommunikation global geworden sind, so verteilen sich bei Krisen ihre Ursachen und Auswirkungen über viele Nationen, wenn nicht alle.
So kann die aktuelle Flüchtlingskrise national gar nicht gelöst werden, ohne einen Ausnahmezustand auszulösen. Man stelle sich nur mal vor, die nationale Scheinlösung namens Obergrenze würde umgesetzt, so müsste man zu deren konsequenten Durchsetzung bewachte Grenzen schaffen. Am Ende gäbe es Tote und Randale.
Dabei können in Europa nur noch die Symptome, nicht aber die Ursachen behandelt werden. Wir verhalten uns wie der arme Retter am Fluss, der ständig Ertrinkende aus dem Wasser holt, aber keine Zeit dafür findet, das Scheusal zu stoppen, dass weiter oben die Leute überhaupt ins Wasser wirft.
Dieses Scheusal muss nicht mal Assad oder Daesch heißen. Nach der Flucht vor der unmittelbaren Lebensgefahr vertreiben andere Geißeln der Menschheit die Massen: Hunger und Perspektivlosigkeit. Doch dagegen ist 2015 noch weniger geschehen als in den Jahren zuvor, obwohl das Leid wuchs.
Vor ein paar Tagen wurde nun triumphal verkündet, dass innerhalb eines Tages auf der UNO-Geberkonferenz so viel Geld wie noch nie gesammelt wurde. Dass diese Summe aber über mehrere Jahre gestreckt ausgezahlt wird und allein für 2016 immer noch nicht den von der UNO gemeldeten Bedarf deckt, wurde in den meisten Berichten gar nicht erwähnt.
Generell war mir die Selbstkritik am westlichen Hegemonialanspruch mit seiner neoliberal-kolonialistischen Agenda und dessen globalen Auswirkungen in der ganzen Debatte viel zu leise. Es gibt bis heute keine medienwirksame Anti-Wachstumsbewegung. Waffenlose Bekämpfung von Terroristen scheint nicht mal ein soziologisches Forschungsgebiet zu sein.
Wir hasten förmlich von Krise zu Krise, um in den Atempausen dazwischen nur noch Trümmer zu beseitigen und Aktionismus beizuwohnen. Langfristige Lösungen, die länger als eine Wahlperiode für Umsetzung und/oder Wirkung brauchen, schaffen es gar nicht mehr in den öffentlichen Diskurs. Wer außerhalb der bekannten Schemata denkt, wird ignoriert, verlacht oder medial totgeprügelt. Am Ende entstehen alternativlos-aktionistische Scheinlösungen, welche die Ursache des Problems nicht mal tangieren.
Das ist wohl einer der Hauptgründe, warum sich ein Teil der Deutschen* in einen unpolitischen Neu-Biedermeier zurückgezogen hat und der andere sich in alle Himmelsrichtungen radikalisiert. Man will auf internationale Vernunft hoffen und bekommt supranationalen Wahnsinn. EU, NATO, UNO, WTO könnten die Welt zu einem gerechteren Ort machen, doch sind sie zu institutionellen Werkzeugen der Mächtigen geworden, um deren Interessen Gewicht zu verleihen.
Sofern überhaupt, sind sie demokratisch so abstrakt legitimiert, dass Manipulation und Einflussnahme kaum Grenzen gesetzt sind. Man muss nur kratzen, um hinter der Fassade des Gemeinwohls die Vertreterfüllung von Einzelinteressen freizulegen.
Diese internationalen Missstände lassen sich aber nicht im Nationalen beseitigen, ohne deren Opfer zu werden. Gerade deshalb hoffe ich, dass aus DiEM25 mehr wird als eine gute PR-Aktion.

*wohl auch allgemein auf Europäer übertragbar

Mittwoch, 27. Januar 2016

Internationale Parade der Rüstungsspirale

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Verteidigungsministerin Von der Leyen plant in den nächsten 15 Jahren 130 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr auszugeben. Das wären dann jährlich 8,6 Milliarden Euro. Ansich schon ein stattliches Sümmchen, wenn man es allerdings ins Verhältnis setzt, wird es richtiggehend skandalös.

Im Bundeshaushalt 2015 beträgt der Wehretat fast 33 Milliarden Euro, womit er einen der größten Posten darstellt. Davon deckt fast die Hälfte die Personalkosten, der Rest ist quasi für Operation, Instandhaltung und Neubeschaffung.

Natürlich ist Militärgerät teuer, aber wie ist zu erklären, dass bei derart hohen Summen die Bundeswehr in solch desolaten Zustand ist?

Doch statt in Zeiten hybrider und asymmetrischer Kriege die Armee gesundzuschrumpfen, soll nun investiert werden. In Militärgerät, deren Hauptzweck die Zerstörung anderer Geräte ist. Die außer als Konjunkturprogramm für unsere Rüstungsindustrie keinerlei nachhaltigen Effekt für die Gesellschaft bringen.

Es wird bei Lohn- und Konzernfragen immer auf unsere Wettbewerbsfähigkeit verwiesen, aber nichts in Sachen Infrastruktur oder Wohnungsbau getan. Unser wichtigstes Kapital, unsere Bildung, ist im Bundeshaushalt mit etwas mehr als 15 Milliarden Euro gedeckt. Doch statt hier eine signifikante Erhöhung zu wagen, die vielleicht unseren Wettbewerbsvorteil noch auf ein paar Jährchen sichern könnte, gibt man das Geld für etwas aus, dass man nie einsetzen möchte.

Ernsthaft, was soll das nützen?
Ist die NATO bedroht? Würde man die Verteidigungsetats aller Nicht-NATO-Staaten zusammenzählen, käme man kaum über den Verteidigungsetat allein der USA.
Soll Russland über ein erneutes Wettrüsten in die Knie gezwungen, gar destabilisiert werden? Tolle Idee, einen Failed State mit Atomwaffenarsenal hatten wir noch nicht.
Soll der internationale Terror mit Panzern und Flugzeugträgern bekämpft werden? Der Krieg gegen den Terror wird trotz seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte nicht in naher Zukunft enden...

Bitte helft mir, irgendwas muss ich übersehen oder verpasst haben, dass unsere Regierung die Budgeterhöhung so unisono zu akzeptieren scheint. Oder ist die Welt doch einfach verrückt geworden?