Donnerstag, 29. August 2024

Die Freiheit der Anderen

Wenn man hört, jemand sei libertär, hat man vielleicht schnell das Bild eines Kämpfers für die Freiheit vor Augen. Schließlich kommt libertär von Liberté, also Freiheit.

Generell wird derzeit viel über Freiheit gesprochen. Das ging mit Corona los und zieht sich bis heute um alle Diskussionen um gesellschaftlichen Konsens. Seien es autofreie Städte, Genderregeln oder CO2-Grenzen.

So wichtig das Konzept der Freiheit ist, wird gerne vergessen, dass diese liberale Idee immer auch die Freiheit des Anderen im Blick behielt. Schließlich darf in einer funktionierenden Gesellschaft niemand die Freiheit des Anderen mit seiner eigenen Freiheitsausübung einschränken. Und so können auch vermeintliche Einschränkungen mehr Freiheit für Andere bedeuten:

Autofreie Städte können benachteiligten Fußgängern und Fahrradfahrern die Nutzung von mehr städtischer Fläche ermöglichen.

Genderregeln können Menschen die Möglichkeit geben, inklusiv zu kommunizieren.

CO2-Grenzen können nachfolgenden Generationen mehr Spielraum für den Umgang mit unserer Atmosphäre einräumen. 

Es gibt genug Beispiele, wo Freiheit ausbalanciert werden muss, um für möglichst viele Menschen die Möglichkeit zur Nutzung von Freiheiten zu schaffen. Das gilt nicht nur auf der zwischenmenschlichen Ebene, sondern noch mehr auf der institutionellen. Staaten sorgen nicht nur dafür, dass Regeln zur Wahrung der Freiheit eingehalten werden, sie haben auch eine Verbindlichkeit gegenüber ihren eigenen Regeln, Stichwort Rechtsstaat. 

Libertäre stören sich aber an diesen Regeln, weil diese ja auch wieder Freiheit einschränkt. Paradoxerweise führen aber viele ihrer Vorstellungen dazu, dass es am Ende weniger Freiheiten gibt. Wenn es keine Verkehrsregeln gäbe, könnte man nicht mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn brettern, ohne binnen kurzer Zeit in einen Unfall zu geraten. Wenn man Banken nicht mehr kontrolliert, hat am Ende niemand mehr die Gewissheit, dass das Geld noch seinen Wert behält oder man aus einem Kredit heraus nicht als Schuldsklave endet. 

Eine libertäre Gesellschaft ist am Ende eine Gesellschaft der Raubritter und Leibeigenen. Wer in der alten Welt zu viel Macht kam, kann sich dann jede Freiheit nehmen, andere unter ihren Willen zu knechten. Irgendwie das Gegenteil von Freiheit.

Woher kommt dieser Glaube? Dass die Tüchtigsten auch automatisch das Beste für alle in der Gesellschaft hervorbringen würden? Dass die Reichsten und damit Mächtigsten einer Gesellschaft ja die Tüchtigsten sein müssen? Der Weg des geringsten Widerstandes, weil wir uns dann politische Diskussionen sparen können? Autokratischer Charakter? 

Oder findet man Kapitalismus einfach so geil, weil man auf der Sonnenseite des Lebens steht? Aber dann ignoriert man, dass immer jemand über einem steht, dem man ausgeliefert ist. Am Ende fehlt der vermittelnde Intermediär und es ist ein jeder gegen jeden. Das kann doch unmöglich deren Wunschvorstellung sein. 

Aber dieses Mindset ist gar nicht so selten. Vor allem in der Kryptoszene scheint dieses Denken sehr verbreitet zu sein, dabei hatten viele einfach Glück, zur richtigen Zeit die richtige Wette abgeschlossen zu haben. Dabei ist es naiv zu glauben, dass diese Glücksritter in einer Gesellschaft, die die nötige Infrastruktur nicht mehr bereitstellt, ihren Reichtum bewahren, geschweige denn genießen könnten. 

Darum kann ich auch niemanden mehr ernst nehmen, der unironisch von Steuern als Raub spricht. Dass bestimmte Arten oder Höhen von Steuern diskutabel sind, keine Frage, aber unser Gesellschaftsvertrag ist eine Errungenschaft, den selbst die Reichsten nicht missen wollen werden.

Montag, 5. August 2024

Vermögenssteuer als Lackmustest

Findet ihr den Vorschlag der brasilianischen Regierung zur Besteuerung von Superreichen auch so spannend? Oder habt ihr etwa noch nichts davon gehört? 

Brasilien hat bei den G20 den Vorschlag eingereicht, eine globale Steuer von 2% auf das Vermögen von Superreichen zu legen. Die Idee ist auch naheliegend. Auf nationaler Ebene reden sich die Regierungen immer damit raus, dass eine Vermögenssteuer nur zur Kapitalflucht führen würde. Abseits davon, dass es auch dagegen, wenn auch nicht sonderlich liberale, Maßnahmen gäbe, zeigt das ja, warum es einen internationalen Rahmen für Maßnahmen wie eine Vermögenssteuer braucht.
Schließlich bezahlt Elon Musk nach Berechnungen von Oxfam 3,27%, Jeff Bezos sogar unter einem Prozent Steuern. Dass das weit weniger ist als deren Angestellte zahlen müssen, kann sich wohl jeder denken. Ermöglicht wird das durch ein dichtes Netz an Briefkastenfirmen und professioneller Steuervermeidung, unterstützt durch eine ganze Industrie von Anwälten und Banken. 

Hinzukommt, dass es bei Milliardären eine jährliche Steuer von 12,8% bräuchte, damit deren Vermögen konstant bliebe. Insofern wären die vorgeschlagenen 2% ein fast symbolischer Betrag für die reichsten der Reichen, könnte allerdings die nicht unbedeutende Summe von 250 Milliarden Dollar einbringen. 

Bisher haben aber nur Südafrika, Spanien und auch zu meiner Überraschung Deutschland Unterstützung dafür angezeigt. Die USA in Vertretung von Janet Yellen haben aber bereits kommuniziert, dass sie solch eine Steuer für unnötig halten. Dabei gäbe es eine überwältigende Mehrheit für derartige Maßnahmen in der Bevölkerung. 

Es wäre auch eine der wenigen Möglichkeiten, die Auswirkungen einer Plutokratie einzudämmen. Denn, und hier sind sich wohl alle einig, Reiche haben einfach zu viel Einfluss auf unsere Gesetzgebung. 

Egal wie so eine globale Vermögenssteuer am Ende realisiert und umgesetzt würde, wahrscheinlich sind wir uns alle einig, dass eine derartige Maßnahme begrüßenswert und gerechtfertigt wäre. Entsprechend wäre das Abstimmverhalten der Regierungen ein Lackmustest darüber, ob die Interessen von 0.00004% oder der gesamten restliche Menschheit vertreten werden.  


Weiterführende Quelle:
https://www.theguardian.com/commentisfree/article/2024/jul/31/brazil-global-tax-billionaires-super-rich