Dienstag, 13. November 2012

Misanthropie eines sozialisierten Eremiten


Die letzten Monate hatte ich bereits das drängende Empfinden, mich wieder an einen Blog zu setzen. Eine polemische Wutpredigt über die vielen falschen Dinge in dieser Welt. Ein Trauergesang ob der düsteren Zukunft dieses Planeten. Ein Wachrüttler mit offensichtlichen Einblicken, auf die sonst niemand schaut.
Aber mich bewegt zurzeit das Private, die eigene Situation. Prinzipiell hat sich da auch nichts geändert, nur einige Parameter hat es verschoben, sodass das emotional-soziale Labyrinth, in dem ich seit Jahren umherirr, etwas lichter und verständlicher wurde. Die Einsicht schlummerte bereits, doch nun steht sie geweckt und klar vor einem.
Ich konnte mich immer leicht durchs Leben treiben lassen. Es gab nur Herausforderungen, keine Probleme. Und wenn, hat man Letzteres rücksichtslos allein überwinden wollen. Die Schlussfolgerung, dass ich nie, zumindest in großen Dingen, gescheitert wäre, redete ich mir selbstgefällig ein. Das ich damit allerdings einfach einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Bestandteil des Lebens ausblendete, war mir nie wirklich bewusst. In sozialen Belangen ruhte ich mich auf einen stabilen Freundeskreis, eine glückliche Patchwork-Familie und eine handvoll potenzieller Partner aus.
Als die Diversifikation der Bande begann, der neue Stiefvater in spe nicht mehr auf selber Wellenlänge funkte und ich vermehrt Opfer meiner Gefühle wurde, begann diese soziale Sicherheit zu bröckeln. Doch statt durch Aktivität familiäre Bruchstellen zu kitten oder konsequent auf Gedeih und Verderb meinem Herz zu folgen, ließ ich mir meine soziale Energie durch ständige Bereitschaft für den geteilten Freundeskreis entziehen. Ob ihnen meine Probleme je bewusst oder interessant waren, habe ich nie erkundet, es war mir meist mehr Last als Entlastung, derlei Dinge anzusprechen. Nicht wegen sprachlicher Barrieren, sondern aus Rücksicht, niemandem mein Päckchen aufladen zu wollen. 
So war und bin ich an Menschen gebunden, die mich ständig, aus Gewohnheit, fordern. Und nun fühle ich Argwohn bei dem Gedanken, dass sie mir nicht von selbst Gefälligkeiten anbieten. Aber wieso sollten sie auch.
Man muss einfach fordern, zugreifen, nehmen, was man will. Genauso wenig, wie einem Wachteln in den Mund spazieren, werden sich andere Menschen ungefragt mit den Nöten anderer beschäftigen. 
Leider ist das meine romantische Vorstellung menschlicher Bindung. Wer nie fordert, darf sich schlussendlich nicht wundern, dass selbst kleine Bitten Überwindung kosten und den Bittsteller in eine unangenehme Situation rücken. Obwohl man auf ein dickes soziales Haben bauen kann, fühlt man sich schuldig. Nur weil man es nicht gewohnt ist, um eine Gefälligkeit zu bitten, betrachtet man es nicht als Selbstverständlichkeit. Und dementsprechend kommt es beim Gegenüber nicht als selbstverständlich an.
Ein soziales Ungleichgewicht entsteht, welches paradoxerweise immer die Rücksichtsvollen trifft. Wer sich um die Meinung oder das Empfinden Anderer weniger schert, wird nie zum demütigen Bittsteller, bekommt aber Bitten dafür umso einfacher erfüllt. Belegt man allerdings jeden Gefallen mit dieser erdrückenden Schwere des Schuldgefühls, fällt es auch dem Gegenüber schwerer, die Bitte als die Banalität zu betrachten, die sie eigentlich darstellt. 
Wer vor lauter Rücksicht nicht mehr nach vorne schauen kann, soll sich nicht wundern, dass man die nicht mehr sieht, die unbeirrt voranschreiten.
Was ist also die Schlussfolgerung? 
Sollte man wirklich mehr an sich denken, egoistischer werden, ja quasi ein Arschloch, einfach um befreiter handeln zu können und wieder mehr Menschen zu erreichen?
Sollte man wirklich eine doch löbliche, wenn auch belastende Eigenschaft lieber begraben, bevor sie einen begräbt?
Oder sollte man sich der drohenden sozialen Isolierung einfach kampflos preisgeben und sich wieder seinem misanthropen Eremitendasein zuwenden, emotionsloser Stoa huldigend?

1 Kommentar:

  1. Cpt. woolzon vs. the spacesquirrels26. November 2012 um 19:43

    Sesam Öffne dich !

    Du kannst nicht erwarten dass deine Probleme vom Mund abgelesen werden.

    Schlaraffenlandphilosophie !

    Teile mit wenn dir was nicht passt. Auch bzw. gerade auf subtiler Ebene. Nicht erst in eskalationsartigen Emotionsausbrüchen.

    Zu spät!

    Geht auch netter!

    Der hang zum Egoismus verursacht eher mehr Konflikte.

    Schwachsinn!

    Deklarier dich nicht zum Trash!
    Eigenschaften sollte man sich wahren um seine Edle Natur zu schätzen!
    Du bist Imstande deinen Geist sinnvoll einzusetzen!


    Sei Stolz drauf!

    Gleichzeitig brauchst dich auch nich als Jesus profilieren. Setz deine Ziele durch, du Hippie !

    Charakter bildet sich nich nur aus guten Eigenschaften, sondern aus Interessen!

    Abra cadabra !

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