Warum wir heute viel
stärkere, international demokratisch legitimierte Institutionen
brauchen.
Heutige Krisen sind
internationale Krisen. So wie unser Handel und unsere Kommunikation
global geworden sind, so verteilen sich bei Krisen ihre Ursachen und
Auswirkungen über viele Nationen, wenn nicht alle.
So kann die aktuelle Flüchtlingskrise national gar nicht gelöst werden, ohne einen
Ausnahmezustand auszulösen. Man stelle sich nur mal vor, die
nationale Scheinlösung namens Obergrenze würde umgesetzt, so
müsste man zu deren konsequenten Durchsetzung bewachte Grenzen
schaffen. Am Ende gäbe es Tote und Randale.
Dabei können in
Europa nur noch die Symptome, nicht aber die Ursachen behandelt
werden. Wir verhalten uns wie der arme Retter am Fluss, der ständig
Ertrinkende aus dem Wasser holt, aber keine Zeit dafür findet, das
Scheusal zu stoppen, dass weiter oben die Leute überhaupt ins Wasser
wirft.
Dieses Scheusal muss
nicht mal Assad oder Daesch heißen. Nach der Flucht vor der
unmittelbaren Lebensgefahr vertreiben andere Geißeln der Menschheit
die Massen: Hunger und Perspektivlosigkeit. Doch dagegen ist 2015
noch weniger geschehen als in den Jahren zuvor, obwohl das Leid
wuchs.
Vor ein paar Tagen
wurde nun triumphal verkündet, dass innerhalb eines Tages auf der
UNO-Geberkonferenz so viel Geld wie noch nie gesammelt wurde. Dass
diese Summe aber über mehrere Jahre gestreckt ausgezahlt wird und
allein für 2016 immer noch nicht den von der UNO gemeldeten Bedarf deckt, wurde in den meisten Berichten gar nicht erwähnt.
Generell war mir die
Selbstkritik am westlichen Hegemonialanspruch mit seiner
neoliberal-kolonialistischen Agenda und dessen globalen Auswirkungen
in der ganzen Debatte viel zu leise. Es gibt bis heute keine
medienwirksame Anti-Wachstumsbewegung. Waffenlose Bekämpfung von
Terroristen scheint nicht mal ein soziologisches Forschungsgebiet zu
sein.
Wir hasten förmlich
von Krise zu Krise, um in den Atempausen dazwischen nur noch Trümmer
zu beseitigen und Aktionismus beizuwohnen. Langfristige Lösungen,
die länger als eine Wahlperiode für Umsetzung und/oder Wirkung
brauchen, schaffen es gar nicht mehr in den öffentlichen Diskurs.
Wer außerhalb der bekannten Schemata denkt, wird ignoriert, verlacht
oder medial totgeprügelt. Am Ende entstehen
alternativlos-aktionistische Scheinlösungen, welche die Ursache des
Problems nicht mal tangieren.
Das ist wohl einer
der Hauptgründe, warum sich ein Teil der Deutschen* in einen
unpolitischen Neu-Biedermeier zurückgezogen hat und der andere sich
in alle Himmelsrichtungen radikalisiert. Man will auf internationale
Vernunft hoffen und bekommt supranationalen Wahnsinn. EU, NATO, UNO,
WTO könnten die Welt zu einem gerechteren Ort machen, doch sind sie
zu institutionellen Werkzeugen der Mächtigen geworden, um deren
Interessen Gewicht zu verleihen.
Sofern überhaupt,
sind sie demokratisch so abstrakt legitimiert, dass Manipulation und
Einflussnahme kaum Grenzen gesetzt sind. Man muss nur kratzen, um
hinter der Fassade des Gemeinwohls die Vertreterfüllung von
Einzelinteressen freizulegen.
Diese
internationalen Missstände lassen sich aber nicht im Nationalen
beseitigen, ohne deren Opfer zu werden. Gerade deshalb hoffe ich,
dass aus DiEM25 mehr wird als eine gute PR-Aktion.
*wohl auch allgemein
auf Europäer übertragbar
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