Montag, 17. August 2015

Die Schizophrenie der Rechten

Was ist nur passiert? Vor fünf Jahren wurde noch über die Regulierungseskapaden der EU diskutiert und inwiefern in einzelnen Ländern der Abbau des Sozialstaats das Wachstum fördern soll.

Heute wird ungeniert gehetzt, Sprüche im Ton von "Ausländer raus" findet man nicht in kleinen verschworenen Gruppen, sondern findet man in allen öffentlichen Ecken der sozialen Medien, wo sie sogar entsprechenden Zuspruch finden.

War es vielleicht Sarrazin und anschließend PEGIDA, welche schwelende Feuer erst auflodern ließen? Wäre das gesellschaftliche Klima ein anderes, hätten die genannten Brandstifter nicht die entsprechende mediale Aufmerksamkeit bekommen?

Vielleicht, irgendjemand hätte aber sowieso eine Debatte zum Integrationsdilemma angestoßen. Doch ohne vernünftige Diskussionskultur bildet sich keine akzeptable Mehrheitsmeinung, sondern ein dividierendes Schwarz-Weiß: "Migrationsskeptiker" sind alles Rassisten und "Gutmenschen" verblendete Optimisten. Diesen Eindruck bekommt man. Dass die Wahrheit irgendwo im Grau liegt und Menschen nun mal einfach Menschen, mit all ihren Stärken, Schwächen und Ängsten, sind, wird scheinbar nicht mehr gesehen. Die Gegenseite treibt es immer so extrem, dass unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert wird.

Rassisten wird es immer geben. Der Mensch verspürt evolutionsbedingt Unsicherheit bei Sachen, die ihm fremd sind. Wer also nicht viel kennt, hat vor vielen Dingen Angst.
Zum Problem wird das allerdings nur, wenn sich Leute in ihrer Unwissenheit gegenseitig wieder Sicherheit geben können, sich bestärken und das Gefühl vermitteln, das Richtige zu tun.

Aktuell ist das hauptsächlich das Schüren von Hass.

Man sollte meinen, dass Hass als Gefühl in einer zivilisierten Gesellschaft nichts mehr zu suchen hat, erst recht nicht als verbreitete Grundstimmung. Hass gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe hat vor 80 Jahren dafür gesorgt, dass der Zerstörung Europas der Weg bereitet wurde.

Was treibt die Menschen also zum Hass? Angst um die eigene Existenz? Neid auf das sorgenlosere Leben anderer? Sorge um das Fortbestehen der eigenen Kultur?

Dem Pakistani von nebenan wird es herzlich egal sein, welche Weihnachtslieder wir singen oder was in so einem Schützenverein getrieben wird. Wieso sollten wir also unsere kulturelle Identität aufgrund von "Überfremdung" verlieren?
Wenn der Weihnachtsmarkt in Wintermarkt umbenannt wird, war das übrigens nicht der böse Ausländer, sondern, ja ich nehme jetzt dieses Wort, Gutmenschen, die kulturelle Rücksichtnahme falsch verstanden haben. Aber darüber kann man zivilisiert reden, dafür muss kein Flüchtlingsheim brennen und kein Politiker bedroht werden.

Ein anderes Argument, dass ich in letzter Zeit ständig lese, vor allem aus konservativ angehauchten Kreisen, ist folgender Satz: "Wenn Kitas und Straßen so schnell gebaut würden wie Asylbewerberheime, dann wäre ich zufrieden." Abgesehen davon, dass ich keine Kita haben will, die den Qualitätsstandards eines Asylbewerberheims gleicht, ist auf den ersten Blick nichts gegen dieses Argument zu sagen.
Dann sollte man sich aber bitte vor Augen halten, dass die konservative CDU mit ihrer seit Jahrzehnten wirtschaftshörigen Politik großen Anteil an der jetzigen desaströsen Situation hat. Stattdessen schimpft man lieber auf die elenden Linken, als ob sie für die Flüchtlingsströme verantwortlich wären, die sowieso in unser Land kommen werden. Konsequente linke Politik hätte es gar nicht so weit kommen lassen, dass der komplette Mittelmeerraum verelendet.
Unsere Gesellschaft hätte auch nicht die Ellbogen ausgefahren, damit nur die Stärksten ein sorgenfreies Leben haben können.

Doch das scheint dem kleinen, rechten Mann nicht einzuleuchten. Die Linke ist nun mal ein Schreckgespenst der Reichen. Und da diese Reichen die Meinungsbildung quasi in der Hand haben, hat der Normalo-Michl Angst vor den Linken, obwohl sie in seinem Sinn handeln könnten.

Kleiner Nachdenkhappen zum Schluss: Würden für Asylbewerber 5,1 Milliarden Euro in einem Jahr ausgegeben, würden in Deutschland wieder Rathäuser brennen. Doch wenn man den Leuten vorrechnet, dass aufgrund von Öffentlich-privater Partnerschaften die Sanierung von sechs Autobahnteilstücken den Staat allein 2014 5,1 Milliarden Euro mehr gekostet hat, verglichen zu den Kosten der staatseigenen Autobahnmeistereien, gibt es keinen Aufschrei. Entweder weil die Leute es nicht wissen oder nicht verstehen können oder wollen.

Wie viel 5,1 Milliarden Euro in der Bildung oder bei den Kommunen bewegen könnten, muss man wohl nicht extra erklären. Wenn schon, dann sollten wegen solcher Skandale Gebäude brennen. Nicht, wenn der Staat versucht, Menschen in Not ein Existenzminimum zu stellen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen