Mittwoch, 24. Juni 2015

Der postamerikanische Traum

Heute wurde bekannt, dass laut Wikileaks-Dokumenten die USA die vergangenen drei französischen Präsidenten abgehört hat. Man darf nun also mutmaßen, dass nicht nur Deutschland als dezidierter Vasallenstaat bis in die oberen Regierungskreise durchleuchtet wurde, sondern auch andere wichtige Verbündete.
So ist Frankreich der wichtigste kontinentaleuropäische Partner der USA beim "Kampf gegen den Terror". Hier potenzielle Terrorgefahr zu vermuten, dürfte also weit hergeholt sein. Wieso werden dann also demokratisch gewählte Volksvertreter überwacht?

Die einzige, momentan für mich schlüssige Antwort auf diese Frage ist die Erlangung von Druckmitteln. Wissen ist Macht, besonders im Informationszeitalter. Weiß man um die Fehltritte mächtiger Personen, so hat man diese in der Hand.
Das ist auch das eigentliche Problem bei den Geheimdienstskandalen der letzten Jahre: Ein Geheimdienst, der Grenzen übertritt und Volksvertreter überwacht, wird schlussendlich einen enormen Einfluss auf unser (post-)demokratisches System ausüben können. In Verbindung mit Medien, die jeden noch so kleinen Fauxpas zum Skandal aufblähen können (Stichwort Wulff), sind Politikern, welche die Macht von Geheimdiensten beschneiden wollen, die Hände gebunden.

Wozu ein Staat im Staate dann schlussendlich in der Lage sein kann, sollte jedem bekannt sein, dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts geläufig ist. So blauäugig, wie die SPD bei der Vorratsdatenspeicherung, zu sein, dass Überwachungsmaßnahmen in einer Demokratie nur zum Wohle der Bevölkerung eingesetzt werden, ist fatal. Die Weimarer Republik verwandelte sich schließlich auch binnen weniger Monate in eines der totalitärsten Regimes des 20. Jahrhunderts. Wohlgemerkt sehenden Auges von vermeintlichen Demokraten.
Dass das Demokratieverständnis einiger Volksvertreter stark gelitten hat, zeigt sich nicht nur im Umgang mit der griechischen Syriza, sondern auch beim SPD-Innenminister Reinhold Gall. Von den christlichen Volksparteien brauche ich hier gar nicht erst anfangen.

Die USA sind dabei spätestens seit 2001 selbst mit dem Patriot-Act, nun Neusprech in Freedom-Act umgetauft, auf dem "besten" Weg, ihre ehemals inspirierende Demokratie zu demontieren. Bei bestimmten Bundeswahlen sind Wahlbeteiligungen unter 25% keine Seltenheit mehr. Rent-Seeking, die langfristige Gewährleistung von Gewinnen ohne entsprechende Gegenleistung, ist vom zu bekämpfenden inzwischen zum staatlich geförderten Modell geworden, man verweise nur auf die Patent-Praktiken von Apple bis Monsanto. In kaum einem Industrieland geht die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie im Land des amerikanischen Traums. Dass diese Ungleichheit Demokratien ad absurdum führen kann, werde ich hier nicht ausführen, sollte aber schnell einleuchten. Wer sich allerdings diesbezüglich weiterbilden will, dem lege ich Joseph Stiglitz´ "Der Preis der Ungleichheit" wärmstens ans Herz.

Nun hat die EU die Sanktionen gegen Russland weiter verlängert. Die USA dagegen handeln munter weiter, haben sogar ihr Handelsvolumen mit Russland entsprechend gesteigert.

Nun ist bekannt, dass mit Frankreich und Deutschland die Doppelspitze der EU ausspioniert wurde. Was muss noch passieren, damit unser Verhältnis zu den USA endlich auf den Prüfstand gestellt wird. Wie können wir offiziell für westliche Werte eintreten, wenn diese von "unserer Schutzmacht" quasi täglich mit Füßen getreten werden?

Vielleicht wird sich am Ende der französischen Spionageaffäre der BND entschuldigen müssen, da sich der NSA aus der Schusslinie verzogen hat.

Vielleicht aber wird am Ende die EU endlich begreifen, dass sie, richtig aufgestellt, nicht auf die USA insofern angewiesen sind, dass sie sich alles diktieren lassen muss.

"... allein mir fehlt der Glaube."

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